Die Geschichte der Postöffnung

Über die Geschichte der heute sogenannten strategischen Postkontrolle, also das Herumschnüffeln in fremden Briefen um die Macht des Staates zu mehren finden sich in dem Buch: "Der österreichische Geheimdienst: Das zweitälteste Gewerbe der Welt." von Manfred Fuchs, Wien 1994 folgende Informationen:

(Seite19ff) Das System der Brieflogen hatte im Zeitalter des Absolutismus eine neue Blütezeit erfahren. Ausgehend von Spanien und Frankreich, wo "Schwarze Kabinette" ( "cabinets noirs" ) mit der Entzifferung und Dechiffrierung vertraulicher Nachrichten beschäftigt waren, trat die Einrichtung einer zentralen Nachrichtenbehörde ihren Siegeszug auch nach Wien an, denn die immer raffinierteren Methoden der Chiffreure machten eine zentrale Stelle mit Spezialisten zur Entschlüsselung brisanter Briefsendungen notwendig. Die geheimen Brieflogen an den wichtigsten Punkten des Postnetzes in Frankfurt, Regensburg, Augsburg, Nürnberg und Eisenach hatten die Aufgabe, verdächtige Sendungen zu öffnen, ihren Inhalt zu kopieren, die Briefe wieder sorgfältig zu verschließen und die Kopie nach Wien zu senden. Da die Arbeit als Logist einiges Können und vor allem Verschwiegenheit verlangte, wurde meist der Sohn des Logisten in die Geheimnisse der Briefüberwachung eingeführt und übernahm nach dem Tod des Vaters dessen Amt. Gewissenhaften und talentierten Logisten winkten zur Belohnung sogar Adelstitel oder Posten im diplomatischen Korps.

Briefsendungen, die besonders geschickt versiegelt worden waren oder bei denen zu befürchten war, daß ihr Empfänger außergewöhnliche Kontrollmaßnahmen zur Überprüfung ihrer Unversehrtheit anwenden würde, wurden ungeöffnet nach Wien geschickt. In der Stallburg, einem eigenen Flügel der Hofburg zu Wien, hatte sich schon 1711 (...) die "Geheime Kabinettskanzlei" etabliert. (...) Die Mitarbeiter des Kabinetts (...),konnten meist auf einige Erfahrung in anderen Schwarzen Kabinetten zurückblicken. Bewerber ohne entsprechende Grundkenntnisse durchliefen nach Abnahme des Verschwiegenheitseides durch den Kaiser eine Probezeit, in der sie das Öffnen und Kopieren der Briefe, das Nachfertigen von Siegeln und die Grundkenntnisse im Entschlüsseln der Botschaften erlernten. Verlief die Probezeit zur Zufriedenheit der Vorgesetzten, so erhielt der Aspirant eine feste Anstellung im Kabinett. Nach einer zweiten Vereidigung weihten erfahrene Kabinettsmitglieder ihren neuen Kollegen in die Kunst, Handschriften zu kopieren und mit Geheimtinten und Chemikalien aller Art umzugehen, ein.

Aber es wurden nicht nur die Briefe gelesen und ausgewertet, sondern es wurde bereits Desinformation und Zersetzung betrieben:

(Seite 19ff) Ein ausgebildeter Beamter der Kabinettskanzlei verstand es nicht nur, mit viel mathematischem Geschick geheime Nachrichten aus Briefen zu entschlüsseln oder sie mit Hilfe von chemischen Prozessen sichtbar zu machen, es gelang ihm auch, abgefangene Briefe durch Kopien zu ersetzen, deren Schriftzug sich kaum vom Original unterschied und einige Verwirrung beim Absender und Empfänger der Nachrichten hervorrief. (...)

Und bereits damals wurden die technischen Fachleute vollständig von der übrigen Bevölkerung isoliert, damit geheim bleibt, was geheim bleiben soll. Mit allen damit verbundenen Folgen. Sicherlich bediente man sich auch dazu bereits der Methoden der Zersetzung.

(Seite 20)Der Kaiser ließ sich seine Geheime Kabinettskanzlei einiges kosten, und die Beamten der Kanzlei konnten mit ihrer Entlohnung mehr als zufrieden sein. Doch allzuviel Freude bescherte ihnen der erworbene Wohlstand nicht: Einige von ihnen hielten der Belastung ihrer Arbeit, die immer unter Zeitdruck und enormer geistiger Anspannung stattfand, nicht stand und verloren den Verstand. Um zu verhindern, daß Geheimnisse aus der Reichskanzlei an die Öffentlichkeit drangen, hatte der Kaiser befohlen, die Beamten und ihre Familien von der Bevölkerung außerhalb des Hofes fernzuhalten. Die Polizei überwachte die Familien rund um die Uhr, und selbst Freunde oder Spielkameraden der Kinder entgingen dieser Beaufsichtigung nicht. (...)

Auch die Tarnbezeichnung für diese Organisation wurde des öfteren gewechselt.

(Seite 20) Das Kabinett erfuhr einige Namensänderungen ( von "Geheimes Ziffernwesen; "Ziffernsekretariat", "Kabinettsekretariat" bis "Visitations- und Interzeptionsgeschäft" ), bis sich die Bezeichnung "Geheime Kabinettskanzlei" eingebürgert hatte.

Auch nach der Verstaatlichung der Post ging die Bespitzelung weiter.

(Seite 21) Während sich die Post der Taxis zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus dem Geschäft der Briefkontrolle und Spionage zurückzog, blieb die verstaatlichte Post in Österreich ihrer nachrichtendienstlichen Nebenbeschäftigung im Dienste des österreichischen Kaisers bis zum Ende der Habsburgermonarchie treu.

Auch im Deutschen Reich wurde die Post routinemäßig geöffnet. Zum Beispiel wurde der für die Russen arbeitende Spion Oberst Redl, der eine hohe Stellung in der österreichischen geheimen Polizei inne hatte, auf diese Weise enttarnt. Allerdings wurde ein an ihn gerichteter Brief in Preußen geöffnet. Aus diesem Vorgang ergibt sich bereits eine enge Zusammenarbeit der geheimen Polizei verschiedener Länder am Anfang dieses Jahrhunderts. Interessanterweise wurde Oberst Redl nicht von Preußen zur Mitarbeit erpresst, sondern die Informationen nach Wien weitergeleitet.

(Seite 77) Ein Zufall führte schließlich zu Redls Enttarnung. Seine Bezahlung wurde auf dem Postweg nach Wien an "Herrn Nikon Nizetas, Österreich, Wien, postlagernd" gesandt. Zu Anfang des Jahres 1913 wurden einige Briefe nicht abgeholt und nach Ablauf der Wartefrist als unzustellbar an den Absender zurückgeschickt. Der Absender wohnte laut Aufgabestempel in Eydtkunen, einer kleinen deutschen Provinzstadt nahe der russischen Grenze. Die Briefe gelangten somit ins Hauptpostamt Berlin, wo sie routinemäßig geöffnet wurden. Neben einem kurzen Schreiben befanden sich darin 6000 österreichische Kronen.

Natürlich will auch unser Staat im Zeitalter massiver Überwachung nicht auf das Öffnen von Briefen verzichten. Dazu findet sich im Neuen Deutschland auf der ersten Seite folgender Artikel vom 14. Juni 1979:

Achtung Bürger der DDR
BRD-Spionagedienst kontrolliert millionenfach Briefe aus der DDR

Millionen Briefe aus der DDR werden jährlich vom Bundesnachrichtendienst der BRD ( BND ) geöffnet und kontrolliert. Dies wurde am Dienstag in einer Sendung des BRD-Fernsehens mit Staatssekretär Manfred Schüler bestätigt, der im Bundeskanzleramt für die Koordinierung und Kontrolle der Geheimdienste verantwortlich ist. Mehrere hundert BND-Beamte sind Tag und Nacht an Kontrollstellen damit beschäftigt, Briefe aus der DDR in die BRD zu öffnen, zu lesen und daraus zu kopieren. Das spezielle Interesse des Spionagedienstes BND gilt, wie es heißt, der Überwachung besonderer Gebiete im Osten, zum Beispiel Manöverzonen, Militärobjekten aller Art der Nationalen Volksarmee sowie der in der DDR stationierten sowjetischen Streitkräfte. Durch die "Lektüre der Privatpost" aus solchen Gebieten wie in der Sendung weiter gesagt wurde, erhofft man sich in der Zentrale des BND und im Bundeskanzleramt "Erkenntnisse die zur Einschätzung der Lage wichtig" seien. Andere Einheiten des BND sind mit der gezielten Kontrolle von Postsendungen aus der BRD in die DDR beauftragt. Die Ergebnisse werden in der BND Zentrale gespeichert.

Und mit den so gewonnenen Informationen kann man dann im Bedarfsfall Personen zur Mitarbeit erpressen. Denn auch die Erpressung ist ja ein nachrichtendienstliches Mittel. Gelegentlich werden Briefe oder Sendungen auch absichtlich beschädigt um den Empfänger auf seine Überwachung hinzuweisen und damit unter Druck zu setzen. Und das war keine Propaganda sondern wurde bis zum Ende der DDR fortgesetzt, wie aus folgendem Artikel, zu finden in Die Welt vom 21.12.2009 hervorgeht.

Post aus der DDR wurde im Westen kontrolliert

Westdeutsche Behörden haben bis 1990 Post aus der DDR kontrolliert. Rechtliche Grundlage dafür sei die „Interzonenüberwachungsverordnung“ vom Juli 1951 gewesen, berichtet der „Tagesspiegel“. Dies gehe aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkspolitikerin Petra Pau hervor. Verantwortlich für die Kontrolle seien die Zollberhörden gewesen. Die Post der DDR habe alle Poststücke „vorführen“ müssen, wenn sie „dem Anschein nach Waren enthielten“. Pau sagte, sie sei „fassungslos“, dass ohne Gesetz und nur per Verordnung in das Postgeheimnis eingegriffen wurde.

Anmerkung: Nur für diejenigen die nicht glauben wollen, daß die BRD eine totalitäre Diktatur ist...

http://www.totalitaer.de