Das Verschwindenlassen im Ausland: Murat Kurnaz

Seit Anfang 2002 wird der in Bremen geborene und aufgewachsene Murat Kurnaz in Guantánamo festgehalten. Dieser Fall ist außerordentlich bemerkenswert, da die Amerikaner bereits im Herbst 2002 seine Freilassung vorhatten. Von den zuständigen deutschen Behörden ist dann aber ein Einreiseverbot gegen ihn verhängt worden, so dass er weiterhin in Guantánamo festgehalten wurde. Interessant ist, wie das Einreiseverbot zustande kam.

Dazu lesen wir in der „Jungen Welt“ vom 27.3.06 unter dem Titel „Humanisten des Tages: Steinmeier & Co.“:

„Die USA jedenfalls (...) seien (...) zunächst durchaus bereit gewesen, Kurnaz zu entlassen.

Pustekuchen, der Unschuldige sitzt immer noch. Und das hat er keinem geringeren zu verdanken als August Hanning, dem damaligen Leiter des Bundessicherheitshauptamtes ( BND ). Der SPD-Mann plädierte dafür, dass der gebürtige Bremer nicht wieder nach Deutschland einreisen darf. Gehorsam verfügte das zuständige Ausländeramt eine Einreisesperre, die ein Verwaltungsgericht allerdings schnell wieder aufhob.

Kanzleramt und Innenministerium (...) schlossen sich Hannings Wunsch sofort an. Sie befürchteten offenbar, das Image der USA könne Schaden nehmen, falls Kurnaz über seine Haftzeit auspacke. Verantwortlich dafür, dass der unschuldige Kurnaz nach dreieinhalb Jahren immer noch in Haft sitzt, ist letztlich der damalige Minister im Kanzleramt, Frank Walter Steinmeier ( SPD ).“

Interessant ist, dass deutsche Behörden sich um das Ansehen der USA sorgen während die Amerikaner selber keinerlei Probleme sehen und ihn, wie andere Festgehaltene auch, einfach gehen lassen wollten. So zum Beispiel nach einem Bericht von Spiegel Online vom 11. März 2004, nachzulesen unter: http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,289983,00.html

„Fünf Briten ohne Auflagen freigelassen

Zwei Jahre lang saßen sie unter strengsten Sicherheitsbedingungen im US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba ein. Der Verdacht: Taliban-Sympathisanten oder al-Qaida-Anhänger. Nun sind fünf Briten wieder auf freiem Fuß. Ohne irgendwelche Auflagen - dafür sahen die britischen Behörden keinen Anlass.“

Zu diesem Zeitpunkt saß Murat Kurnaz ebenfalls bereits 2 Jahre in Guantanamo fest.

Auch im Jahre 2005 wurden Gefangene freigelassen wie man aus dem folgenden Bericht der Netzeitung vom 21. Juli 2005 unter http://www.netzeitung.de/spezial/kampfgegenterror/349414.htm entnehmen kann.

„Sieben Männer aus Guantanamo entlassen

(...)Die USA haben nach eigenen Angaben sieben Häftlinge aus Guantanamo freigelassen. Ein achter, aus Marokko stammender Gefangene sei an die spanische Justiz übergeben worden, teilte das Pentagon mit. Bei den Freigelassenen handele es sich um zwei Afghanen, einen Jordanier, einen Sudanesen und drei Männer aus Saudi-Arabien.

Die beiden Afghanen berichteten nach ihrer Ankunft in Kabul am Mittwoch, rund 180 afghanische Gefangene auf Guantanamo befänden sich seit etwa zwei Wochen im Hungerstreik. Ein Sprecher des US-Verteidigungsministerium sagte, ihm sei nichts von einem Hungerstreik bekannt, er werde die Angelegenheit jedoch prüfen lassen. Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in London wusste nichts von einem Hungerstreik.“

Wie man sieht lassen die Amerikaner Gefangene aus vielen Ländern frei, ohne dass diese dann besonders bewacht würden um zu verhindern, dass sie über ihre Behandlung berichten. Und diese Freigelassenen geben dann sogar Interviews. Der deutsche Journalist Roger Willemsen hat fünf Lagerinsassen – einen Jordanier, einen Palästinenser, zwei Russen und einen Afghanen für sein Buch „Hier spricht Guantánamo“ befragt.

Inzwischen ( Frühjahr 2006 ) sollen insgesamt bereits 242 Gefangene aus den verschiedensten Ländern wieder freigelassen worden sein, 510 Sitzen weiterhin fest. Von den Freigelassenen sollen 10-15 sogar wieder bei Kämpfen aufgegriffen worden sein.

An den Amerikanern kann es ja dann wohl nicht liegen, dass Murat Kurnaz nicht freikam. Denn das Einreiseverbot für Murat Kurnaz wurde erst am 17. Januar 2006 vom Innenministerium aufgehoben. Und sofort hieß es aus den USA wieder, er werde in Kürze freigelassen, wie man in Spiegel Online vom 1. März 2006 unter http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,403706,00.html nachlesen kann:

„Guantanamo: Bremer Kurnaz soll bald freigelassen werden

Die US-Behörden wollen den im Gefangenenlager Guantanamo festgehaltenen Bremer Türken Murat Kurnaz "in Kürze" freilassen. Es gebe keine Beweise für terroristische Aktivitäten.

Leipzig - Über die bevorstehende Freilassung berichtet die "Leipziger Volkszeitung" unter Berufung auf deutsche Regierungsmitglieder. (...) Das Bundesinnenministerium hatte das für Kurnaz bestehendes Einreiseverbot am 17. Januar 2006 aufgehoben.(...)“

In dieses Bild passt auch die Aussage von Murat Kurnaz die er gegenüber seinem amerikanischen Anwalt Baher Azmy gemacht hat: Die deutschen Geheimdienstbeamten sollen ihm gesagt haben „Wir wollen Sie nicht zurück in Deutschland“,(...). Er solle aufhören sich zu beschweren, schließlich sei er doch in der Karibik“.

Nachzulesen in einem längeren Artikel unter dem Titel „Falsche Zeit, Falscher Ort“ zu finden in „Der Spiegel“, Nummer 13, 2006, Seiten 38-42, aus dem hier die wichtigsten Stellen wiedergegeben sind.

„Falsche Zeit, Falscher Ort

In Washington verhandeln deutsche Diplomaten derzeit über die Freilassung von Murat Kurnaz, der seit vier Jahren in Guantanamo sitzt. Geheime Protokolle zeigen: Kurnaz galt schon früh als unschuldig, Ende 2002 boten die USA sogar seine Freilassung an – doch die Deutschen wollten ihn nicht.

(...) Die Freilassung des gebürtigen Bremers mit türkischem Paß wäre ein diplomatischer Triumph für die Merkel Regierung – aber auch eine politische Blamage für den heutigen Außenminister und früheren Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier (SPD). Zudem dürfte sie den jetzigen Innenstaatssekretär und Ex-Geheimdienst-Präsidenten August Hanning unter Rechtfertigungsdruck bringen. Denn bis heute als geheim eingestufte Protokolle zeigen, dass die rot-grüne Bundesregierung bereits Ende 2002 eine große Chance verstreichen ließ, den jungen Bremer freizubekommen: Die Amerikaner hatten seine Freilassung angeboten – die Deutschen aber wollten seine Rückkehr verhindern, sie hielten Kurnaz für eine Gefahr. (...)

Kurnaz, darauf legt das Kanzleramt bis heute Wert, besitzt nicht die deutsche Staatsbürgerschaft, deshalb muss sich die Regierung formal gesehen nicht um ihn kümmern. Aber dass er zu einem politischen Problem werden würde, zu einem, um das man sich mit Hochdruck kümmern musste, das verstand auch das Kanzleramt, als der Bundesnachrichtendienst (BND) am 9. Januar 2002 in einer kurzen Notiz erstmals mitteilte, dass ein Heranwachsender aus Bremen in Kandahar festgehalten werde, Murat Kurnaz sei sein Name.

Im Kanzleramt wanderte der Vorgang nach dieser Information schnell bis ganz nach oben. Die Abteilung 6, zuständig für die Geheimdienste, informierte Steinmeier, des Kanzlers Mann für diskrete Dinge. Es geht um die Frage, ob BND-Leute nach Guantanamo fliegen sollen, wohin Kurnaz von Kandahar aus gebracht wurde. Das könne „sehr wertvoll“ sein, notierte das Kanzleramt. (...)

Der CIA-Mann ( Anmerkung: Steve H. ) sitzt am 21 September 2002 mit im Flugzeug, als deutsche Geheime erst nach Washington und dann weiter nach Guantanamo fliegen. Die Delegation besteht aus einem Referatsleiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), der als guter Analytiker gilt, und einem profilierten Sachgebietsleiter des BND, einem Pakistan-Experten, der prädestiniert scheint, Kurnaz´ Story zu bewerten. Er wird begleitet von einem psychologisch geschulten Auswerter – in Pullach fand man, das könne nicht schaden.

Die Deutschen empfangen Kurnaz hinter einem schlichten Bürotisch im Camp Delta, die US-Militärs haben ihm schwere Ketten angelegt, falls der Häftling widerspenstig sein sollte. Aber Kurnaz ist nicht widerspenstig, im Gegenteil: Er begrüßt die Deutschen, als seien sie Freunde, „erleichtert“ und „sehr kooperativ“ wie sich die Beamten erinnern. „Ich gehöre nicht an diesen Platz“, sagt er, es sprudelt nur so aus ihm heraus: „Ich bin unschuldig.“

Und er fühlt sich schlecht behandelt: Die Zellen seien „zu klein“, der Hofgang „zu kurz“, zweimal die Woche nur für jeweils 15 Minuten. Die Deutschen nehmen die Beschwerden kommentarlos auf, im Hintergrund surrt eine Videokamera.

Auch der CIA-Mann lauscht der Geschichte des Gefangenen, er sitzt inkognito im Raum. Kurnaz soll nicht wissen, dass die CIA mithört, er soll sich den Deutschen offenbaren. Aber was er zu erzählen hat, offenbart nur eines: seine Bedeutungslosigkeit.

Zwei Tage lang redet Häftling „JJJFA“, wie Kurnaz in Guantanamo heißt: Er berichtet, wie er von Lahore nach Karatschi und weiter nach Islamabad gefahren sei, dann nach Peshawar. Auf der Suche nach seiner eigenen Identität wollte der junge Muslim aus Deutschland in einer Missionsschule den Koran lernen. Doch die Glaubensbrüder wiesen ihn ab, er war schließlich nicht angemeldet. Nun irrte er durchs Land.

Ein junger englischsprachiger Mann habe ihn in Peschawar angesprochen und mitgenommen in ein Dorf, ein paar Freunde suchen, sagte er. Einen Tag seien sie vergeblich herumgelaufen. Auf der Rückfahrt habe ihn das pakistanische Militär festgenommen, sie hätten ihm die Augen verbunden und ihn in ein Gefängnis gebracht. Afghanistan habe er das erste Mal gesehen, als ihn das US-Militär nach Kandahar ausflog.

Das Urteil, das die Geheimdienst-Delegation nach Deutschland überbringt, ist vernichtend. Kurnaz, davon sind die Auswerter fest überzeugt, sei unschuldig. In dem bis heute als „geheim“ eingestuften Protokoll, das der BND dem Kanzleramt zuleitet, heißt es: Die Experten seien „zu der Überzeugung gelangt, dass Kurnaz lediglich zur falschen Zeit am falschen Ort war, jedoch nichts mit Terrorismus, geschweige denn mit al-Qaida zu tun hat“.

Bei Kurnaz, resümieren die beiden BND-Auswerter, handele „es sich um einen durchschnittlich intelligenten und eher unterdurchschnittlich gebildeten“ jungen Mann, der „teilweise einen unreifen beziehungsweise von naiven Ansichten geprägten Eindruck“ hinterlassen habe. Ermittlern gilt der Mann allenfalls als Sympathisant der Taliban.

Seine fehlenden Kontakte sind es auch, die die Dienste Abstand nehmen lassen von einer Idee, die Deutsche und Amerikaner gemeinsam geboren hatten: Dass Kurnaz nach seiner Freilassung als Informant arbeiten könnte. Die Beamten fragen den ehemaligen Schiffsbaulehrling während der Vernehmung danach, sie haben den Eindruck, er wäre bereit dazu. Das Projekt wird nach der Rückkehr der Delegation von Hanning und Verfassungsschutzchef Heinz Fromm gestoppt: Wer niemanden kennt, kann auch nichts berichten.

Ähnlich schätzen auch die Amerikaner seine Rolle ein, jedenfalls die CIA. Noch auf der Rückreise, bei einem Zwischenstopp in Washington, überbringt der US-Auslandsgeheimdienst gute Nachrichten. Kurnaz, heißt es in einem fünfseitigen Verfassungsschutz-Vermerk vom 8. Oktober 2002, könne „damit rechnen, zur ersten Gruppe zu zählen, die freigelassen wird. Dies könnte bereits in naher Zukunft erfolgen“. Ähnliches hat am 2. Oktober 2002 bereits der BND dem Kanzleramt berichtet: „Die Bitte des Leiters der Befrager an die US-Seite, Kurnaz möglichst bald freizulassen“, notieren die Pullacher optimistisch, „wurde offensichtlich positiv aufgenommen. Noch am letzten Tag des Aufenthaltes wurde den BND-Vertretern mitgeteilt, dass die Vorentscheidung gefallen sei, Kurnaz bis November dieses Jahres nach Deutschland zurückzubringen.“

Für die an der Befragung beteiligten deutschen Agenten spricht nichts gegen dessen Rückkehr. „Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“, urteilt der zuständige BND-Beamte, „besitzt Kurnaz bei einer Freilassung kein Gefährdungspotential hinsichtlich deutscher, amerikanischer oder israelischer Sicherheitsinteressen.“

Es sieht so aus als könnte es jetzt ganz schnell gehen. Der Eindruck verfestigt sich durch eine baldige Nachfrage der Amerikaner, wohin der Gefangene denn eigentlich abgeschoben werden soll: nach Deutschland oder lieber in die Türkei?

Die Türken haben sich bis dahin kaum um Kurnaz gekümmert, sie haben wenig Interesse an einem De-facto-Deutschen, der in der Türkei womöglich ein Problemfall würde. Sie haben den Amerikanern signalisiert, dass sie den jungen Mann aus Bremen nicht unbedingt haben wollen.

Jetzt kommt es also auf die Deutschen an. Die Entscheidung über Kurnaz´ Zukunft fällt am 29. Oktober 2002, gut einen Monat nach der Bundestagswahl.

An diesem Dienstag geht es um die Anfrage aus Amerika: Wohin soll Kurnaz ausgeflogen werden?(...) Als Erster ergreift der BND-Präsident das Wort. Er plädiert für eine Abschiebung in die Türkei, nicht nach Deutschland, mehr noch: Er regt eine Einreisesperre für Kurnaz an. Damit soll sichergestellt werden, dass Kurnaz nicht mehr zurück in sein altes Umfeld kann. Das Kanzleramt und das Innenministerium schließen sich dieser Meinung an: Ein Guantanamo-Heimkehrer könnte als Märtyrer ein Sicherheitsproblem, vielleicht auch ein Propaganda-Desaster werden.

Die negative Entscheidung wird alsbald der CIA mitgeteilt, in einem Schreiben des Verfassungsschutzes mit Datum vom 8. November 2002. Die Bundesregierung räumt heute ein, das BfV habe mitgeteilt, „aus deutscher Sicht bestehe der Wunsch, dass nach einer eventuellen Freilassung Murat Kurnaz nicht nach Deutschland zurückkehre“.

Die Amerikaner können es zunächst gar nicht glauben: Die „Entscheidung der Bundesregierung“, dass Kurnaz nicht nach Deutschland abgeschoben werden solle, heißt es in einem internen BND-Vermerk, stoße „bei US-Seite auf Unverständnis. Freilassung sei wegen seiner nicht feststellbaren Schuld sowie als Zeichen der guten Zusammenarbeit geplant gewesen“.

Während die Sicherheitsexperten damit offenbar über Kurnaz´ nähere Zukunft entschieden haben, läuft offiziell ein diplomatisches Ringen um die Freilassung, denn im Auswärtigen Amt hat sich das Veto der Präsidentenrunde nicht herumgesprochen. Am 19. November 2003 spricht Fischer den Fall bei seinem amerikanischen Kollegen Colin Powell in Washington an. Powell und Fischer mögen sich. Aber für Guantanamo, sagt Powell, sei Pentagon-Chef Donald Rumsfeld zuständig, sein Rivale. Eine neue Haltung sei nicht erkennbar.

Warum die US-Behörden offiziell plötzlich auf stur schalten, darüber können die Diplomaten nur spekulieren. Vielleicht haben sich Hardliner im Pentagon durchgesetzt, vielleicht ist man in Washington einfach enttäuscht von dem Nein aus Berlin. Jedenfalls gilt die frühere Offerte nicht mehr, im Gegenteil: Vorwand um Vorwand präsentieren die Amerikaner, um die andauernde Haft zu rechtfertigen. Mal werfen sie Kurnaz bei einem Militärhearing im September 2004 vor, mit einem türkischen Selbstmordattentäter namens Gökhan Elaltuntas befreundet zu sein – ein dummer Irrtum, den daß Bundeskriminalamt schnell aufklären kann. Dann behauptet das „Büro für Gefangenenfragen“ im Pentagon, Kurnaz sei ein überzeugter Qaida-Anhänger, einer derjenigen, von denen Rumsfeld sagt, sie seien die „bestausgebildeten Killer der Welt“.

Und als Anfang 2006 die Gespräche in Washington beginnen, lässt John Bellinger, der Rechtsberater im US-Außenministerium fallen, der Bremer habe in der Schlacht um Tora Bora gekämpft, um Osama Bin Laden die Flucht zu ermöglichen. Das ist offenbar Unsinn, die Geschichte taucht in den Gesprächen nie wieder auf.

Auf der amerikanischen Seite führen Offiziere aus dem Pentagon die Verhandlungen, sie präsentieren Anfang Februar eine als „Top Secret“ eingestufte Gefährdungseinschätzung zu Kurnaz. Sie liest sich, als habe man es mit Bin Ladens Bremer Statthalter zu tun. Dazu überreicht die US-Delegation ein neueres Foto des Häftlings.

Seitdem stellen sich die Deutschen die Frage, ob sich der Westen auf Guantanamo nicht erst den Feind geschaffen hat, den er zu bekämpfen meinte. Denn Kurnaz trägt auf dem Bild einen gewaltigen Bart, der den mächtigen Brustkorb bedeckt. Die Augen blicken finster. Sein US-Anwalt Baher Azmy, der ihn gerade wieder besuchen durfte, erzählt, dass Kurnaz die endlosen Tage mit zwei Dingen füllt: Religion und Sport. (...)

Azmy kennt auch Kurnaz´ Meinung über die Deutschen, von denen sich der Häftling schlecht behandelt fühlt. „Wir wollen Sie nicht zurück in Deutschland“, hätten die Beamten angeblich bei ihrem Besuch gesagt. Er solle aufhören sich zu beschweren, schließlich sei er doch in der Karibik“. Ob die Vorwürfe stimmen, ist fraglich, aber sie geben wohl das Deutschlandbild wieder, das der Mann inzwischen entwickelt hat. Ist aus einem orientierungslosen Azubi aus Bremen, der offenbar Schwierigkeiten mit Frauen und Alkohol hatte und die Taliban wohl aus der Ferne bewunderte, also ein gefährlicher Radikaler geworden, wie es das Pentagon behauptet? (...)

Das Pentagon will Kurnaz deshalb nur gegen Sicherheitsgarantien übergeben, der Gefangene dürfe „keine Gefahr für die internationale Gemeinschaft“ darstellen. Er könne diese Leute doch „nicht einfach laufen lassen“, hat Bush der Bundeskanzlerin im Oval Office erklärt.

Wie Schulbuben müssen die deutschen Beamten in Washington deshalb vortragen, auf welche Art sie den Freigelassenen unter Kontrolle halten wollen. Lückenlose Observation wäre den USA am liebsten, dazu das Versprechen, ihn aus Deutschland nicht ausreisen zu lassen. Das Kanzleramt lehnt das ab, Kurnaz soll nicht noch einmal bestraft werden. Im Innenministerium hat die zuständige Abteilung schon einmal überschlagen, wie viel Personal wohl eine Observation rund um die Uhr binden würde. Ergebnis: Zu viel, vor allem vor der Fußball-Weltmeisterschaft.

Deshalb haben es die Unterhändler auch nicht übermäßig eilig. Jede Woche, die verstreicht, ohne dass Kurnaz freikommt, ist eine Woche ohne Probleme. Da würde es nicht stören, wenn er erst nach dem WM-Finale im Juli in Deutschland einträfe.“

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