New Device for War
The Washington Post, 24. April 1898

Ein neues Kriegsgerät

Elektrische Strahlen die Schiffe durchdringen und in die Luft sprengen
Nach einem Vorschlag von G. Marconi

Das Marineministerium hat mitgeteilt, daß es die Verwendung der vor kurzem entdeckten elektrischen Kräfte für die Küstenverteidigung erwägt. Durch das Hervorrufen von induzierten elektrischen Strömen an Bord eines Kriegsschiffes kann die Pulverkammer zur Explosion gebracht werden. Das Gerät ist einfach aufgebaut.

Die bemerkenswerteste und herausfordernste Entwicklung, die jemals in der modernen Kriegführung erdacht worden ist, wird zur Zeit vom Marineministerium für die Küstenverteidigung in Erwägung gezogen. Die bis jetzt unternommenen Schritte waren von aller höchster Geheimhaltung begleitet. Das wird auch wegen der Natur der Sache noch einige Zeit so bleiben müssen.

Daß es sich dabei nicht um ein Hirngespinst handelt, zeigt die Tatsache, daß drei der weltweit besten Fachleute für Elektrizität zu Beratungen einberufen wurden. Einer dieser Fachleute ist vom Marineministerium eingestellt worden, und arbeitet nun asschließlich für den Minister. Mit dem in Frage stehende Gerät kann die Pulverkammer eines feindlichen Schiffes durchdrungen und auf große Entfernung zur Explosion gebracht werden.

Es wird daran gedacht, den hochfrequenten elektrischen Strom, eine besondere Art jenes elektrischen Mediums, das verspricht für die Telegrafie der nahen Zukunft genauso wichtig zu werden, wie es die Röntgenstrahlen in der nahen Vergangenheit für die Fotografie wurden.

Es handelt sich hierbei um einen Bereich, in den die Wissenschaft gerade erst vordringt. Den Bereich des interplanetarische Äthers, also der hypothetische Substanz, von der sich die Wissenschaftler allgemein einig sind, daß sie in jedem Raum und in jedem Gegenstand vorhanden ist. Und die als Grundlage zur Erklärung einer großen Zahl von wissenschaftlichen Erscheinungen dient, die auf andere Weise nicht erklärt werden können. Die aber eigentlich zum heutigen Zeitpunkt genau so wenig verstanden wird, wie das Gebiet der angewandten Elektrizität zu der Zeit verstanden wurde, als Franklin als Erster mit seinem eisenbeschlagenen Drachen Funken aus den Wolken zog.

Es ist der Bereich des „unsichtbaren Lichts“ und des „unhörbaren Schalls“, Begriffe die dem Laien nichts sagen, die aber für den Wissenschaftler beginnen, eine entscheidende Bedeutung zu bekommen. Das ist ein Bereich, in dem elektrische Schwingungen nicht in Millionen, sondern in hunderten Billionen gemessen werden, und in dem ein Strom mit 90 Billionen Wechseln als niederfrequent angesehen wird.

Es ist ein Gebiet in dem Elektrische- oder Ätherwellen erzeugt werden, die jede bekannte Substanz, Erde, Wasser oder Metalle durchdringen können und mit deren Hilfe telegrafische Signale ohne Drähte bereits über beträchtliche Entfernungen geschickt wurden. Sogar durch Häuserblocks und Hügelketten.

Unsichtbare Strahlen als Signale

Diese Strahlen sind mit solchem Erfolg verwendet worden um Schiffen während der Nacht und in dichtem Nebel Signale zu übermitteln, daß die britische Regierung unter der Leitung der Verwaltung der Leuchttürme Versuche durchführt in der Hoffnung, Leuchttürme und Nebelhörner durch ein System elektrischer Warnanlagen zu ergänzen oder zu ersetzen, die nicht durch Wettereinflüsse unterbrochen oder falsch verstanden werden können.

Diese Versuche haben so gute Ergebnisse erbracht, daß einige enthusiastische Wissenschaftler auf der anderen Seite des Atlantiks erklärt haben, daß ein transatlantisches drahtloses Telegrafiesystem machbar sei. Sie haben sogar die Kosten für die Sende- und Empfangsstationen errechnet, die nicht höher als 50 000 Dollar für jeweils eine Seite der Übertragungsstrecke liegen.

Es ist gesagt worden, daß der einzige Grund dafür, daß die Signale nur über eine begrenzte Strecke gesendet wurden, darin liegt, daß die sehr wenigen für diesen Zweck bis jetzt gebauten Versuchsgeräte klein sind. Man nimmt an, daß mit der Entwicklung dieses Systems die Drähte des Telefon- und Telegrafensystems vollständig ersetzt werden. Aber das ist eine Sache der Zukunft.

Es war fast Zufall, daß bei diesen friedlichen Versuchen die schrecklichen Möglichkeiten der hochfrequenten Wellen in Verbindung mit der Küstenverteidigung ans Licht kamen. Der erste Wissenschaftler, der diese Möglichkeiten vorführte war Hertz. Bereits 1888 sprengte er eine Dose mit Pulver auf eine beträchtliche Entfernung von seinem elektrischen Strahler, indem er einen Resonanzstrom zwischen zwei in die Dose gebetteten Drähten erzeugte.

Später hat Dr. Chundar Bose, ein indischer Wissenschaftler aus Kalkutta, dieselbe Art von elektrischen Wellen erzeugt. Er hat aber seine Versuche weitergeführt und mit einem System von Linsen und Reflektoren telegrafische Signale zu einem Empfänger übertragen, der in einem Haus stand, das mehr als einen Block entfernt war.

Noch kürzer arbeitet Guglielmo Marconi, ein junger Italiener auf diesem Gebiet. Er hat elektrische Strahlen mit noch besseren Eigenschaften entwickelt, die nicht mit Linsen oder Reflektoren gelenkt werden können, weil sie so einfach durch jede der Wissenschaft bekannte Substanz dringen, wie die Röntgenstrahlen durch menschliches Fleisch.

Marconis Versuche

Marconi hat das Interesse der englischen Regierung geweckt und führt seine Versuche nun im Auftrag einer gemeinsamen Kommission des englischen Militärs, der Postverwaltung und der Verwaltung der Leuchttürme weiter. Er hat mit einem Gerät, das in einen Rucksack passt, und dessen Gesamtkosten geringer sind als ein einziger Schuss aus den großen Geschützen, die zur Zeit von unserer Küstenverteidigung verwendet werden, erfolgreich Signale über eine Entfernung von vier Meilen gesendet.

Während der Versuche hat Marconi bemerkt, daß seine Strahlen ein eisernes Schiff durchdringen. Als eines der größten Probleme im Zusammenhang mit der Verwendung in Leuchttürmen, werden die an Bord eines Eisenschiffes induzierten Ströme genannt, die die Pulverkammer zur Explosion bringen können. Durch sorgfältiges Arbeiten ist Marconi nun an einem Punkt angelangt, an dem er glaubt, dieses Problem gelöst zu haben.

Darin liegt der Unterschied zwischen seiner Arbeit und der der amerikanischen Erfinder, die zur Zeit mit dem Marineministerium verhandeln. Diese haben Versuche in die andere Richtung angestellt, bis sie davon überzeugt waren, daß sie durch die Funken eines induzierten Stromes zwischen den Wänden der Metallkanister, in denen das Pulver gelagert wird, die Explosion der Pulverkammer eines sieben Meilen von der Küste entfernten Schiffes hervorrufen können.

Sie behaupten, daß sie das unter allen Wetterbedingungen können, solange sie das Schiff in die Reichweite ihres elektrischen Zerstörers bekommen. Der Zerstörer, der technisch gesehen ein „Strahler“ ist, kann sogar hinter einer Hügelkette oder den Sanddünen aufgestellt werden und das Meer wie ein starker Scheinwerfer überstreichen mit dem Unterschied, daß der Strahl bei Tag und bei Nacht unsichtbar ist und nur durch seine Wirkung auf dem beschossenen Schiff wahrgenommen wird.

Das klingt fast wie ein Märchen und verwirklicht, was Garrett Serviss in seiner Erzählung The Conquest of Mars als elektrischen Desintegrator beschrieben hat.

Das Gerät ist günstig

Das Gerät ist relativ günstig und so leicht, daß es mit den vom Lebensrettungsdienst zur Zeit verwendeten Gerätewagen entlang der Küste transportiert werden kann. Einer der großen Vorteile dieses Plans ist, daß er aus den bereits in kurzen Abständen entlang unserer Küste bestehenden Lebensrettungsstationen eine schlagkräftige Ergänzung der Küstenverteidigung macht.

Ein elektrisches Strahlungsgerät kann in jeder Station zusammen mit den notwendigen Batterien gelagert werden, und wann immer die Küstenwache einen Feind erkennt, der Ärger sucht, schnell zum Einsatzort gebracht werden, an dem es dann von der Besatzung bedient wird.

So bemerkenswert diese Entwicklung für die moderne Kriegführung zu sein scheint, ist sie doch nicht so sehr unserer Zeit voraus wie es Archimedes war, als er die römische Flotte mehr als 200 Jahre vor Christi Geburt im Hafen von Syrakus zerstörte, indem er ihre geteerten Aufbauten mit einem riesigen System aus Brenngläsern in Brand setzte.

Und wenn jemand diesem Vergleich widersprechen sollte, weil Archimedes das nicht gemacht hätte, kann zumindest die historisch gut belegte Tatsache angeführt werden, daß Buffon im Jahre 1747 genau das vorgeführt hat, um zu beweisen, daß Archimedes sehr wohl die Schiffe hätte verbrennen können, wenn er es versucht hätte.

Es wird nicht behauptet daß die Installation des neuen Systems zur Küstenverteidigung die Kanonen der Küstenbatterien vollständig ersetzen wird, aber es wird diese alte und zuverlässige Verteidigung zumindest mit einem neuen und schlagkräftigen Verbündeten ergänzen, dessen geheimes Arbeiten dazu dient, die amerikanische Küste für die Marine einer feindlichen Macht unwirtlich zu machen.

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