Vertreibung aus der Öffentlichkeit

Der folgende Auszug aus:
Psychiatrie der Verfolgten: Psychopathologische und Gutachterliche Erfahrungen an Opfern der Nationalsozialistischen Verfolgung und vergleichbarer Extrembelastungen, Walter Ritter von Baeyer, Heinz Häfner, Karl Peter Kisker, Berlin 1964
zeigt welches Ziel der Deutsche Staat durch die Verfolgung erreichen will.

(S. 256f) Der 41jährige J. (365) ist 1921 geboren und Sohn eines unbekannten farbigen Vaters. (...) Im Kameradenkreise war der umgängliche und gefühlswarme J. sehr geschätzt. Als Anführer von Jugendbanden erwies er sich als ein „wahrer Teufel“ an Behendigkeit und hatte bei seinen großen Körperkräften keine Mühe, sich durchzusetzen.

Dies änderte sich ab 1934/35, als er nicht mit den anderen in HJ-Uniform an gemeinsamen Aktionen teilnehmen durfte. Als er einmal zum Appell ging, zwang ihn der Fähnleinführer vorzutreten, würdigte ihn vor dem Glied herab und schickte ihn heim. J. ging zum Autobahnbau und stand ab 1937/38 unter der Sterilisationsdrohung. Um ihr zu entgehen, suchte er als Binnenschiffer anzuheuern und über die Grenze zu kommen.

Als dies mißlang, wandte er sich an die französische Grenze und bot sich als Fremdenlegionär an. Seines Alters wegen zurückgeschickt, arbeitet er eine Weile ohne Papiere auf einem abgelegenen Hof der Pfalz, wo er sich für sicher hielt. Bald wurde ihm durch die Polizei der Ausweis entzogen. J. versuchte erneut illegal mit einem Schiff über die belgische Grenze zu gelangen, erkrankte jedoch an Diphterie, wurde beim Verlassen der Isolierstation von der GESTAPO festgenommen und 17jährig zur Zwangssterilisation überführt. -

Während des Krieges war J. dienstverpflichtet, empfand einerseits den Ausschluß vom Wehrdienst als kränkend und lebte andererseits in Angst vor der Deportation in ein KL. Er wurde häufig verdächtigt, Fahrräder, Brotmarken u.a. gestohlen zu haben, konnte stets sein Unschuld nachweisen, erfuhr aber bei den polizeilichen Verhören, daß er ein Mensch ohne Rechte sei.

Da stellt sich dann die Frage wer ihn verdächtigt hat. Und warum. Die Antwort lautet offensichtlich: Die tatsächlichen Täter waren die Spitzel. Und die haben ihn dann beschuldigt, um von ihrem kriminellen Handeln abzulenken. Das wird von den Spitzeln und Beamten des BNDs und Verfassungsschutzes auch heute immer wieder gerne gemacht.

Kontakte zu deutschen Mädchen waren unter schwere Strafandrohung gestellt. Ein farbiges Mädchen, dem er sehr anhing, hinterging ihn. In der letzten Kriegszeit meldete sich J. zu einer Arbeitseinheit nach Finnland, „um wenigstens etwas Gemeinschaft zu haben“. Beim Rückzug geriet er für 7 Monate in amerikanische Gefangenschaft, wo er sich wiederum wegen seiner Hautfarbe verkriechen musste.

Aber sicherlich nicht vor den Amerikanern, denn die haben selber schwarze Soldaten eingesetzt.

J. heiratete (...) Ende 1945 eine Frau, die älter als er ist. Die Kinderlosigkeit überschattet stark die sonst ausgeglichenen ehelichen Beziehungen. Gegenüber den Arbeitskollegen, die häufig auf seine Kinderlosigkeit anspielen, hält J. seinen Makel geheim.

Die Zwangssterilisierung von Kindern schwarzer Besatzungssoldaten war allgemein bekannt. Man muß annehmen, daß die Spitzel ihn absichtlich unter Druck gesetzt haben.

Er geht kaum aus um „keine Auslegungen machen“ zu müssen. Er hat einen Arbeitsplatz gesucht, der in der Nähe seiner Wohnung liegt und zu dem er auf einem Schleichweg gelangt, um nicht unter die Leute zu müssen. Er ist allgemein ängstlich, gerät in Zittern und Schweiß, wenn er im Betrieb ein Formular mit seinen Personalien ausfüllen muß.

Warum sollte jemand beim Ausfüllen eines Formulars zittern und Schweißausbrüche bekommen? Verständlich wäre allenfalls Ärger wegen des Papierkrams. Solche der Situation unangemessenen Reaktionen lassen nur den Schluss auf den Einsatz von Strahlenwaffen zu um diese Reaktionen hervorzurufen. Dazu passt auch das im Folgenden beschriebene ständige Kreisen der Gedanken um bestimmte Themen. Insbesondere wenn solche Gedanken plötzlich und ohne Zusammenhang zum gerade Erlebten, Besprochenen oder Gelesenen auftreten, muß man davon ausgehen, daß sie die Folge von Gehirnwäsche mit technischen Mitteln sind.

Er kreist ständig um den Gedanken, was sein werde und wie man ihn anschauen werde, wenn sein Makel herauskomme. „Ich gehe mit meiner Frau kaum aus. Sie hat es schwer mit mir. Da stehen die Leute und denken und sagen `seht, er hat keine Kinder´. In mir ist so eine Hemmung. Schon als junger Mann hab´ ich nicht den Mumm gehabt, mir ein Mädchen zum Tanz zu holen. Ich hab´ mich schon damals versucht aufzuhängen.

Bei den mit Gehirnwäschetechniken erzwungenen Gedanken ist dann die Frage, wer versucht hat ihn aufzuhängen...

Sehe ich einen Verwachsenen, so denk´ ich, ich bin noch viel weniger, der ist wenigstens ein Mann. Sitz ich am Fernseher, so seh´ ich mal was und mal wieder nichts, weil ich daran denk´. Ich habe jetzt alles, habe alles angeschafft, aber für was? Alles schlägt mir auf den Magen. Ohne meine Frau kann ich nirgendwo hingehen. Das kleinste Ding ist für mich umwälzend.“ -

J. erschien im psychiatrischen Gespräch als ein gutmütiger, offenherziger, gefühlsweicher Mensch mit großem Vertrauens- und Anlehnungsbedürfnis und einem schnellen Wechsel unbeschwert-heiterer und versorgt-kleinmütiger Anwandlungen. Dabei bestand im kommunikativen Bereich eine ausgeprägte Verunsicherung und Gehemmtheit mit Sensitivität und einem starken Rückzug auf den Schutz durch die energische Ehefrau.

Der imposante athletische Habitus des Untersuchten stand in merkwürdigem Kontrast zu seinen unsicher-gehemmten Umgangsweisen, die erst dann einer kindlich-unselbstständigen Anlehnung Platz machten, als J. eine vertrauensvolle Beziehung zum Untersucher gefaßt hatte.

Auch wenn es so erscheinen könnte, daß die jahrelange Verfolgung zu einer Persönlichkeitsänderung geführt hat, ergibt sich aber aus der erkennbar fortgesetzten Verfolgung, daß das Verhalten auf diese akut anhaltende Verfolgung zurückzuführen ist. Wenn Folteropfer wirklich vollständig dem Zugriff der Folterer entzogen werden, verhalten sie sich innerhalb kurzer Zeit wieder normal.

In der selben Weise sind auch die Soldaten der Wehrmacht nach dem Krieg zum Schweigen gebracht worden. Immer wenn sie über die deutschen Verbrechen reden wollten, sind die Spitzel, die während des Krieges mutig die Heimatfront verteidigt und das Eigentum der von ihnen in den Tod geschickten Juden unter sich aufgeteilt haben, über sie hergefallen.

Ich habe noch einige ehemalige Frontsoldaten kennengelernt. Bei allen konnte man gut eine gewisse unerklärliche plötzliche Zurückhaltung erkennen. Insbesondere haben sie sofort genervt aufgegeben, wenn man gewisse Dinge nicht sofort verstanden hat. Sie haben dann nicht versucht weiter zu diskutieren oder das Thema noch einmal anzusprechen. Das lässt erkennen, daß sie in einer bestimmten Weise bearbeitet worden sind: Immer wenn sie unerwünschte Themen angesprochen haben, sind die Spitzel über sie hergefallen.

In der ehemaligen DDR sind diese Methoden ebenfalls eingesetzt worden was den Spitzeln die Bezeichnung „Besserwessi“ eingetragen hat.

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