Einsatz der Psychiatrie zur Verfolgung von Steuerfahndern

Im folgenden zwei Interviews aus der Jungen Welt, die zeigen daß in Deutschland ganz offen gelogen wird, um mit absichtlich falschen psychiatrschen Gutachten Menschen aus ihrer Arbeit zu entfernen. In diesen Fällen hatten Steuerfahnder 1998/1999 die Verschiebung von Parteigeldern ins Ausland untersucht. Im Jahre 2001 haben dann vier Steuerfahnder gegen die Anweisung des Finanzministeriums protestiert, dem Verdacht auf Steuerhinterziehung bei Überweisungen ins Ausland nur in Fällen nachzugehen, in denen der Betrag höher als 500 000 DM ist.

Wenn in Deutschland offen mit totalitären Geheimdienstmethoden gegen Steuerfahnder vorgegangen wird, kann man wohl auch vermuten, daß systematisch Steuern hinterzogen werden. Für die Deckung durch den BND bekommt der dann möglicherweise einen Teil der hinterzogenen Steuern für verdeckte Operationen. Zum Beispiel Reisen mit Ehefrau oder Damen ähnlichen Ranges zu Zwecken der Tarnung. Um dann Steuerfahnder und andere Touristen in Madrid, Paris, Rom, New York, der Karibik oder ähnlich langweiligen Orten zu überwachen.

Zum Sachverhalt lesen wir in der Junge Welt vom 20.11.2009 ein Interview mit Frank Wehrheim:
Frank Wehrheim ist ehemaliger Steuerfahnder für das Land Hessen

„Wir haben den Finanzminister angezeigt“

Hessische Steuerfander, die bei Großbanken und Vermögenden Prüfungen vornehmen wollten, wurden mit fehlerhaften Gutachten über ihre psychische Gesundheit aus dem Amt gedrängt. Das hat am Dienstag das Verwaltungsgericht Gießen bestätigt. Welche Bedeutung hat dieses Urteil?

Für mich persönlich unmittelbar keine – ich wurde nicht begutachtet weil ich in Altersteilzeit gegangen bin. Allerdings habe ich gemeinsam mit meinem Kollegen Rudolf Schmenger Strafantrag gegen Hessens Finanzminister Karlheinz Weimar ( CDU ) gestellt, weil sein Ministerium die Aussage verbreitete, wir litten unter Verfolgungswahn. Gegen den Minister wird nicht ermittelt – nur gegen seinen Pressesprecher Michael Scheerer. Für meine Kollegen freue ich mich. Nun hat ein Gericht bestätigt, was wir immer gesagt haben: Die fehlerhaften Gefälligheitsgutachten wurden erstellt um die vier Steuerfahnder aus dem Dienst zu drängen.

Welche Folgen hatte das für ihre Kollegen?

Sie können sich ja vorstellen, was in einem vorgeht, wenn Ihnen ein Psychiater bescheinigt, daß Sie geistesgestört sind. In dem Gutachten steht, daß die betreffenden Personen paranoid und querulatorisch sind, Anpassungsstörungen haben und deswegen nicht als Steuerfahnder arbeiten können. Es bedeutet einen tiefen Einschnitt im Leben, wenn das bekannt wird, und man überall für geisteskrank gehalten wird. Zum Glück hat keiner von meinen Kollegen Hand an sich gelegt.

Die Methode, kritische Staatsangestellte für psychisch krank zu erklären, vermutet man eher in Diktaturen. Wie kommt es zu solch unglaublichen Vorgängen?

Das haben wir uns auch immer wieder gefragt – ich bin fassungslos und entsetzt! Auffällig ist, daß alle vier Gutachten vom selben Experten sind. Sie sind kurz gefaßt: Teilweise sieht das nach eingesetzten Textbausteinen aus. Untersuchungen haben nicht stattgefunden, sondern jeweils ein Gespräch von einer Dreiviertelstunde, soweit mir die Kollegen berichteten.

Mit weitreichenden Folgen: Diese Personen – teilweise unter 40 Jahren – brauchen nie mehr untersucht zu werden, sondern sind für immer dienstunfähig. Das hat nicht nur ein Geschmäckle; der Gedanke drängt sich auf, daß da etwas nicht stimmt. Die Tragweite haben wir erst erkannt, nachdem wir alle vier Gutachten nebeneinander legen konnten: Die sind fast deckungsgleich, also steckt da System dahinter. Der Verdacht liegt nahe, daß man bewußt Gutachten in Auftrag gegeben hat, um diese Personen gegen ihren Willen aus dem Dienst zu entfernen.

Inwieweit ist Finanzminister Weimar involviert? Der Vizepräsident des saarländischen Finanzgerichts, Peter Bilsdorfer, hat ebenfalls Anzeige erstattet...

Herr Bilsdorfer sieht in diesem Vorgehen Haushaltsuntreue: Der Finanzminister schickt Leute, die durchaus als Fahnder arbeiten und dem Staat Geld einbringen könnten, auf Kosten des Steuerzahlers in den Ruhestand.

In welchem Ausmaß wurde der Steuerzahler durch die Entlassung der kompetenten Steuerfahnder geschädigt, die bei Ausübung ihres Jobs auch vor Vermögenden nicht halt machten?

Wenn ein Steuerfahnder im Jahr eine Million Euro mehr Steuern für sein Land reinholt, und sein Arbeitsplatz etwa 150 000 Euro kostet, zahlt sich das aus. Der Ausfall der vier Steuerfahnder kann, auf Jahre hochgerechnet, einen Millionenschaden bedeuten.

Wie ist ein derart skandalöser Umgang eines Ministeriums mit seinen Beamten künftig zu verhindern?

Dieses Jahr habe ich den Whistle – Blower – Preis bekommen, mit dem die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler Personen auszeichnet, die Mißstände veröffentlichen. Deshalb werde ich oft zu Mobbing befragt. Es muß einen externen Mobbing – Beauftragten geben, damit die Kommunikation nicht innerhalb der Verwaltung aufhört; vielleicht einen Theologen oder einen Rechtsanwalt. Das Problem liegt sonst auf der Hand: Beschwert sich jemand, werden diejenigen mit der Kontrolle des Sachverhalts beauftragt, die ihn zu verantworten haben. Sie werden meistens nicht zugeben, daß sie einen Fehler gemacht haben.
Interview: Gitta Düperthal

Und am 3.12.2009 finden wir ein weiteres Interview mit Hermann Schaus zum gleichen Thema ebenfalls in der Junge Welt. Hermann Schaus ist innenpolitischer Sprecher und parlamentarischer Geschäftsführer der hessischen Landtagsfraktion Die Linke.

„Die Mobbing Vorwürfe stehen weiter im Raum“

Erfolg der Linkspartei: Vier zwangspensionierte Steuerfahnder in Hessen können in den Staatsdienst zurückkehren. Ein Gespräch mit Hermann Schaus

Aufgrund eines Antrags der Partei Die Linke können die vier mit offenbar falschen Psychiater-Gutachten aus dem Amt gemobbten Steuerfahnder in Hessen wieder in den Staatsdienst zurückkehren. Gibt es dazu auch eine Entschuldigung der Landesregierung?

Keineswegs. Finanzminister Karlheinz Weimar ( CDU ) geht nach wie vor davon aus, rechtmäßig gehandelt zu haben. Aber die Regierung ist durch die Medienberichterstattung und das Urteil des Berufsgerichts Gießen immer mehr unter Druck geraten. Insofern hat Weimar im Ausschuß des Landtags die Flucht nach vorn angetreten. Jetzt bieten sie den vier in Zwangspension geschickten Steuerfahndern an, nach erneuter psychiatrischer Begutachtung wieder in der Finanzverwaltung beschäftigt zu werden.

Leider ist es nach dem Beamtenrecht zwingend notwendig, die gerichtlich als fehlerhaft bestätigten Gutachten durch neue zu ersetzen. Beim Berufsgericht wurde zwar der Gutachter Doktor H. verurteilt – nicht überprüft wurde jedoch der Inhalt der Gutachten.

Wäre die Angelegenheit denn damit erledigt, wenn die vier Steuerfahnder wieder eingestellt sind?

Die Mobbing – Vorwürfe der Begutachteten stehen weiterhin im Raum. Die Angelegenheit ist deshalb mitnichten erledigt – es ist weiterhin zu klären, wie es dazu kam, und wer die politische Verantwortung dafür trägt.

Inwiefern spielt die CDU – Schwarzgeld – Affäre im Zusammenhang mit den kaltgestellten Steuerfahndern Rudolf Schmenger, Franz Wehrheim und dem Ehepaar Tino und Heiko Fesert eine Rolle?

Sie waren in den 90er Jahren sehr erfolgreiche Steuerfahnder, die teilweise an den entsprechenden Ermittlungen in Liechtenstein beteiligt waren – der Finanzminister bestreitet allerdings nach wie vor jeden Zusammenhang. Damals, 1998/1999, ging es um das Verschieben von Parteigeldern der hessischen CDU in Höhe von ungefähr 30 Millionen DM an allen Parteigremien vorbei. In diesem Zeitraum waren die Steuerfahnder in Banken unterwegs und haben Transfer – Leistungen nach Luxemburg, in die Schweiz und Liechtenstein geprüft. Dazu gab es zwischen 2003 und 2006 einen Untersuchungsausschuß, der die Sachverhalte geprüft hat und zu unterschiedlichen Bewertungen kam.

Die Auseinandersetzung der Steuerfahnder mit dem Finanzministerium begann jedoch an dem Punkt, als die vier 2001 gegen eine ministerielle Verfügung protestierten, wonach ein Verdacht gegen Steuersünder bei Geldtransfers ins Ausland nur dann weiter verfolgt werden sollte, wenn es sich um eine Summe über 500 000 DM handelt: Unter diesem Betrag sollten keine Steuerbetrüger verfolgt werden.

Bereits 2003 hatten sich 48 Steuerfahnder aus dem Finanzamt Frankfurt/Main V an Ministerpräsident Roland Koch gewandt, weil sie aufgrund ihrer Arbeitsbedingungen ihren Aufgaben nicht mehr rechtsstaatlich nachkommen konnten. Die Landesregierung war also ständig über all diese Vorgänge informiert?

Es gab viele Schreiben und Diskussionen. Auch die vier Betroffenen haben sich mehrfach an den Ministerpräsidenten gewandt und Gespräche mit Abgeordneten geführt – auch aus der Regierungsfraktion.

Gibt es in diesem Zusammenhang strafrechtlich relevante Ermittlungen?

Den Mobbing – Vorwürfen sei man nachgegangen – da sei angeblich nichts dran, hat Weimar gestern erneut behauptet. Das werden wir aber noch überprüfen. Ansonsten liegen mittlerweile auch mehrere Strafanzeigen vor. Unter anderem die des Vizepräsidenten des saarländischen Finanzgerichts Peter Bilsdorfer, der in dem Vorgehen der Landesregierung Haushaltsuntreue sieht, weil diese Steuerfahnder auf Kosten des Steuerzahlers in den Ruhestand geschickt hat. Vergleichbare Vorgänge gibt es auch bei der Polizei. Dazu haben wir vor zwei Monaten bereits eine Anfrage gestellt, die bis heute nicht beantwortet ist.
Interview: Gitta Düperthal

Dazu auch:
Lesen zwischen den Zeilen:  Wie viele Menschen werden vom Staat verfolgt?
 

http://www.totalitaer.de